Clarisse: Analyse der Gestalt in Robert Musils Roman "Der Mann ohne Eigenschaften"

Gislind Erna Pietsch Pentecost, Purdue University

Abstract

In der Sekundarliteratur wurde die Clarisse-Gestalt in Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften bisher vernachlassigt, obwohl es sich um einen der interessantesten und komplexesten Charaktere des Romans handelt. Vielfach wurde sie als Nebenfigur und oberflachliche Variante von Ulrichs Nietzsche-Interesse abgetan. Man ubersah dabei, das Clarissens Personlichkeit durch traumatische Jugenderlebnisse und ihre geistige Erkrankung--oft als Exzentrik interpretiert--, geformt wurde und dann als Mensch lebendig wird. Diese Dissertation legt daher eine detaillierte Analyse der Clarisse-Figur vor. Im ersten Kapitel werden alle Verhaltensweisen aufgezeigt, die auf eine geistige Erkrankung Clarissens hinweisen. Vor allem die Denkstorungen sind auffallend, sowie Bewustseinsstorungen und Entgrenzungserlebnisse und der Glaube, eine Christusgestalt zu sein, aber auch Gottesmutter, die den Erloser zur Welt bringen wird. Im zweiten Kapitel werden die unter dem Einflus Nietzsches und der Jugendfreunde Walter and Ulrich stehenden Geniebestrebungen Clarissens analysiert. Alle drei wollten etwas Grosartiges leisten, aber die Bestrebungen haben bei jedem einen unterschiedlichen Stellenwert. Clarisse hat weder hevorragende Intelligenz noch Talente, sodas ihr Genie-Sein eine Form des Grosenwahns ist, genahrt durch ein misverstandenes Verhaltnis von Genie und Wahn. Walter entpuppt sich als Durchschnittsmensch, weshalb Clarissens krankhaftes Bestreben, mit einem Genie verheiratet zu sein, scheitert. Im dritten Kapitel werden Clarisse und Walter durch die Musikszenen naher charakterisiert. Der Unterschied zwischen Ulrichs intellektueller Lebenseinstellung und der gefuhlsbetonten von Walter und Clarisse kommt hier am deutlichsten zum Ausdruck. Musil verarbeitet auch einige von Nietzsche angeregte Aspekte des dionysischen Zustands sowie dessen Auseinandersetzung mit Wagner. Im vierten Kapitel werden Clarissens Nietzsche-Zitate besprochen. Sie sucht in Nietzsche nur diejenigen Aspekte, die sich auf die Problematik im Zusammenleben mit Walter, ihrem willensschwachen und der Selbsterkenntnis ausweichenden Gatten, beziehen. Es ist offensichtlich, das Walter ihr widerwartig ist. Sie wendet sich daher Ulrich zu, da sie in ihm nun Geniequalitaten sieht. Es hat sich gezeigt, das Clarisse mit ihrer vielschichtigen Personlichkeit als eine der Hauptfiguren des ersten Buches zu betrachten ist, deren Schicksal wesentlich mit dem von Walter and Ulrich verknupft ist. Durch die Analyse von Clarisse wird auch ein tieferer Einblick in Musils Arbeitsweise gewonnen.

Degree

Ph.D.

Advisors

Titche, Purdue University.

Subject Area

Germanic literature|Literature

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